Olympiasiegerin zum Anfassen

Vor etwas mehr als fünf Wochen holte Anna Kiesenhofer sensationell die Goldmedaille bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio. Im Straßenrennen über 137 Kilometer sorgte die 30-jährige Österreicherin, die bei keinem Profi-Team unter Vertrag steht, nach einem unglaublichen Kraftakt für historisches Edelmetall.

Die erste österreichische Goldmedaillengewinnerin bei Olympischen Sommerspielen nach 17 Jahren wird auch beim Tag des Sports (25. September 2021 in Wien) eine große Rolle einnehmen und eine von vielen MedaillengewinnerInnen (Olympische Spiele, Welt- und Europameisterschaften) aus dem Sommer-, Winter- bzw. Para-Sport sein, die beim 20-Jahr-Jubiläum live dabei sein wird.

Nun ist die Mathematikerin wieder in ihrer Heimat, einem kleinen Vorort von Lausanne (SUI) zurückgekehrt und widmet sich voll ihrem Beruf. „Die Rückkehr, vor allem die nach Österreich war sehr speziell – sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Ich habe mich richtig gefreut endlich meine Familie und Freunde wieder zu sehen, aber es war auch richtig anstrengend. In der Schweiz ist das dann viel ruhiger abgelaufen, da haben mich nicht so viele Menschen am Schirm“, schmunzelt Kiesenhofer.

Strikte Trennung zwischen Beruf und Sport

Die Oberösterreicherin gehört seit drei Jahren an der EPFL in Lausanne einer Gruppe an, die sich mit mathematischen Fragen, die aus der Physik inspiriert sind (z.B. Relativitätstheorie oder Quantenphysik), beschäftigt und neue Phänomene entdeckt werden sollen. Nebenbei hatte Kiesenhofer in den letzten Jahren ihr Training intensiviert, was kaum jemand ihrer Arbeitskollegen mitbekommen hat. Ihr Credo: Beruf und Sport wird zu 100 Prozent getrennt.

So war auch ihr Vorgesetzter Joachim Krieger (Mathematiker) mehr als überrascht: „Für mich war das richtig überraschend. Wir wussten zwar, dass Anna nebenbei trainiert, aber nicht in welchem Umfang. Sie hat in der Zeit sehr viel unterrichtet und sich mit der Mathematik beschäftigt. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass das passieren kann. Ich war zu dieser Zeit gerade in den USA und wurde aufgrund der Zeitverschiebung in der Nacht per SMS verständigt. Einfach großartig“, erklärt Krieger.

Konsequenz ist der Schlüssel zum Erfolg

Für Kiesenhofer war der berufliche Weg früh vorgezeichnet. Nach abgeschlossener Matura und dem Studium an der TU Wien folgten Stationen in Cambridge und Barcelona. Wer aber glaubt, dass die 30-Jährige sich dort ein „schönes Leben“ gemacht hat, irrt. „Ich war zwar schon an vielen Orten, aber ich habe dort nie wirklich viel gesehen. Das gehört irgendwie zu meinen Eigenheiten. Ich war immer viel in meinen Wohnungen, habe aber vorwiegend gelernt und gearbeitet. Konsequenz ist der Schlüssel zum Erfolg“, erklärt die Oberösterreicherin, die fünf Sprachen spricht und ergänzt: „Manchmal denke ich mir, ob ich dadurch etwas verpasse. Aber ich mache die Dinge nicht nur, dass ich sie mache, sondern weil es dann passt.“ Erst nach der Schulzeit startete Kiesenhofer ihre sportliche Karriere, und das sollte sich bezahlt machen.

Paris 2024 kann kommen

Nach einem „geschmeidigen ersten Teil“ in einer kleinen Gruppe kostete die lange Solofahrt im „Rennen ihres Lebens“ bei den Olympischen Spielen in Tokio viel Kraft und Nerven. „Ich habe alles rausgeholt. Ich habe oft zur Kamera geschaut, ich wollte einfach immer über die Zeitabstände bescheid wissen. Ich habe oft überlegt, schaff ich das und kann ich meine Leistung bis ins Ziel bringen. Ich hatte Angst, dass ich doch noch eingeholt werde“, gibt die 30-Jährige noch einmal Einblicke in das olympische Straßenrennen und führt fort: „Im Ziel habe ich schnell realisiert, dass ich gewonnen habe. Ich war einfach nur stolz auf das, was ich geleistet habe. Es klingt jetzt vielleicht arrogant, aber ich habe mir diesen Erfolg hart verdient. Ich habe über viele Jahre so hart gearbeitet und nun einen krönenden Abschluss bekommen.“

Kiesenhofer liest sich laufend in Studien ein, feilt am Trainingsplan und hat vor längerer Zeit die Ernährung umgestellt. In drei Jahren, genauer gesagt bei den nächsten Olympischen Spielen in Paris, will die Goldmedaillengewinnerin noch einmal voll angreifen und auch an den nächsten Welt- bzw. Europameisterschaften teilnehmen. Die Oberösterreicherin ist aktuell eine gefragte Frau und die Sponsorenanfragen haben sich in den letzten Wochen gehäuft. Die 30-Jährige sieht das allerdings locker: „Ich kann nun vieles tun, muss aber nicht. Ich blicke den neuen Möglichkeiten sehr positiv entgegen.“ Eines ist jedoch sicher: Egal was in der Zukunft kommt, Anna Kiesenhofer ist Olympiasiegerin!