Österreichs Handbiker machen’s noch einmal – und holen bei den Paralympischen Spielen in Tokio nach dem Edelmetall-Triple im Einzelzeitfahren auch im Straßenrennen drei Medaillen. Thomas Frühwirth ist zum dritten Mal in seiner Karriere auf Silber programmiert, Debütant Alexander Gritsch reist mit zwei Bronzemedaillen nach Hause. Und Walter Ablinger fügt am nebligen Fuji Speedway seiner Medaillensammlung (je 2 Mal Gold und Silber) im vielleicht letzten Paralympics-Rennen die erste Bronzene hinzu. Damit hält das Paralympic Team Austria in Tokio bereits bei neun Mal Edelmetall.
Es gibt Rivalitäten im Sport, die sind auch von Freundschaft geprägt. Roger Federer und Rafael Nadal pflegen zum Beispiel eine solche, oder im paralympischen Sport die beiden Handbiker Jetze Plat und Thomas Frühwirth. Auf der Rennstrecke sind sie Gegner, vor und nach dem Rennen Freunde. „Er ist ein absoluter Ausnahmeathlet, ein genetisches Monster“, lacht Thomas Frühwirth im Ziel.
Auch deshalb weil er sich in der Klasse H4 wieder einen „epochalen Fight“ mit dem fliegenden Holländer – die beiden tauschen sogar ihre Trainingsdaten miteinander aus – geliefert hat. Da machte es auch nichts, dass „Tigger Tom“ wie schon im Einzelzeitfahren am Dienstag das Nachsehen hatte. „Ich habe an beiden Tagen mein absolutes Maximum rausgeholt, alles gegeben. Deshalb mache ich den Sport, das ist es, was ich liebe“, so der Steirer, für den es bereits die dritter paralympische Silbermedaille seiner Karriere war.
Der erste Weg im Ziel führte ihn zum nun dreifachen Goldmedaillengewinner von Tokio, der ziemlich platt und noch gar nicht bereit für die Frühwirth’sche Rennanalyse schien. Und die fiel so aus: „Es war wieder ein perfekter Tag. Ich habe in der zweiten Runde das Tempo angezogen, dann bin ich eineinhalb Runden mit Jetze gemeinsam gefahren, bis er im Flachen attackiert hat“, kostete es den 40-Jährigen viel Kraft die Lücke wieder zu schließen.
Zu viel für eine weitere Attacke auf Gold. „Ich habe gesehen, dass es nichts bringt, weil es mich sonst komplett zerreißt“, fuhr Frühwirth bei Regen und Nebel solo und mit 5:43 Minuten Rückstand über die Ziellinie. „Ich habe in den letzten zwei Runden nichts riskiert, wollte das Rennen nicht wegen einer Dummheit wegschmeißen.“
Für Alexander Gritsch war es gar „das ärgste Rennen meines Lebens“. Einerseits wegen der schwierigen Bedingungen, aber auch weil er als Dritter abermals aufs Stockerl fuhr. „Ich kann es selber noch nicht glauben. Wieder Bronze hinter den beiden Besten der Welt, das ist eine Riesenehre. Ich habe heute noch einmal alles richtig gemacht“, freute sich der Tiroler, der noch einmal ans Limit ging.
„In der letzten Runde war ich komplett blau, habe nur geschaut, dass ich irgendwie ins Ziel komme. Der Tank war so leer, ich hätte nicht einmal mehr eine Matheaufgabe lösen können.“ Nachsatz: „Außer zwei Mal Platz drei.“
Dass er mit zwei Bronzemedaillen nach Hause fliegt, damit habe er nie gerechnet, erzählt Gritsch. „Vor einem halben Jahr habe ich noch nicht einmal gewusst, ob ich mich überhaupt qualifiziere.“ Beleg dafür, dass es nicht bloß ein Traum ist, sind die vielen, vielen Nachrichten auf den unterschiedlichen Kommunikationskanälen. „Ich komme gar nicht damit alles zu beantworten, deshalb auf diesem Wege: Danke an alle, die mich unterstützt und immer an mich geglaubt haben.“
Walter Ablinger hat nach seinem Goldstück im Einzelzeitfahren (Klasse H3) noch nicht alle Nachrichten gelesen. Die schlechte Nachricht für alle Fans: Nach Bronze im Straßenrennen werden weitere dazu kommen. Die gute: „Es wird sicher ein paar Tage dauern, aber ich werde mich bei allen melden“, verspricht der Oberösterreicher, der nun bereits bei fünf Paralympics-Medaillen hält.
„Zum Glück hat es zu Beginn noch nicht geregnet, weil da war es ziemlich hektisch im Feld und niemand wollte auch nur einen Zentimeter nachgeben“, war es Ablinger, der eine fünf Mann starke Fluchtgruppe initiierte. „Wir haben gut zusammengearbeitet, sind belgischen Kreisel gefahren und haben so unseren Vorsprung kontinuierlich ausgebaut.“ Gold ging an den Russen Ruslan Kuznetsov, der seine Attacke erfolgreich ins Ziel brachte, die Aufholjagd des Schweizers Heinz Frei kam zu spät.
„Ich habe nicht mit ihm gerechnet, weil er in der Fluchtgruppe immer ganz hinten war. Keine Ahnung, wo er am Ende die Kraft hergenommen hat“, freut sich Ablinger aber für den 62-Jährigen, der nicht nur ihm Inspiration war und ist. „Er ist seit 30, 40 Jahren dabei, legt mit seiner Begeisterung, Professionalität und Lebensfreude seit jeher die Latte hoch und ist eines der größten Vorbilder im Behindertensport. Und ich bin mir sicher, dass auch in Paris wieder mit ihm zu rechnen ist.“
Und wie sieht es mit den eigenen Zukunftsplänen aus? Ist wirklich spätestens nach der Paracycling-WM in Kanada im nächsten Jahr Schluss? Zumindest ein Hintertürchen lässt sich der 52-Jährige nach dem Straßenrennen offen: „2023 soll es in Glasgow erstmals eine gemeinsame UCI-Weltmeisterschaft für alle Disziplinen geben. Das war immer schon mein Traum.“ Und dann ist es ja nur mehr ein Jahr bis zu den Paralympics 2024 in Paris …
Elisabeth Egger kam in der Klasse H1-3 zu Sturz, konnte das Rennen nicht beenden. Neben Abschürfungen wurde auch ihr Handbike in Mitleidenschaft gezogen, was Extraschichten für die Mechaniker bedeutet. Der Start beim Team-Bewerb am Donnerstag ist aber nicht in Gefahr. Zum Abschluss der Radbewerbe am Fuji Speedway startet am Freitag noch Yvonne Marzine auf der Straße.